Fahrtenbuch der Sippe Edelweiß
Praise the Sun!

Tag 1, “Fáilthe“
Nach einer Ganzkörpersprengstoffuntersuchung und einem zweistündigen Flug über eine Watte ähnliche, so wie surreal anmutende Wolkendecke betraten wir bei erfrischenden 16C° endlich irischen Boden.
Viel Zeit uns mit dem Dublin Airport vertraut zu machen blieb uns leider nicht, da wir bereits direkt nachdem wir unser Gepäck gefunden hatten mit unsere 20kg schweren Rucksäcken, vermutlich sehr zur Beunruhigung der anderen Reisenden, durch den Ankunftsbereich des Flughafens sprinten mussten um den letzten Bus nach Limerick zu erwischen. Auf unserer bisher 7- stündigen Reise folgte nun also eine etwa 5-6 stündige Busfahrt welche wir mit unglaublich schlechten Witzen, aus dem Kopf rezitierten Edgar Allen Poe Gedichten und misslungenen Schlafversuchen zu überbrücken suchten. Nach einem Umstieg in einen Bus nach Tralee erreichten wir unser Ziel um etwa halb 12 nachts.
Dort trafen wir einen sehr netten Taxifahrer der bereit war uns zu einem auf unserer Karte markierten Campingplatz zu führen.
So liefen wir also um Mitternacht, umgeben von einem typisch irischen Nieselregen hinter einem, in regelmäßigen Abständen auf uns wartenden Taxi her. Eine recht neue, wenn auch aufregende Erfahrung. Vom Zeltplatz aus war es uns möglich unsere Position auf der Karte zu bestimmen und so begannen wir in der Nähe nach einem (kostenlosen) Schlafplatz zu suchen.
Auf einer Wiese hinter einem Altenheim wurden wir fündig und wir beschlossen – wohl aus Zeitmangel – bei Nieselregen und drückend schwülen Klima zu ponchen.
Die Nacht war wie man es erwarten würde…

Tag 2 , “…wenn es regnet, dann nicht!“
Nach einer absolut furchtbaren Nacht und Nachschubaufnahme in einem örtlichen Aldi, traten wir unsere Wanderung mit immer noch anhaltendem Nieselregen und klammen Klamotten an. Unser erster Zwischenstopp war das kleine Örtchen Bennerville, eine gute Gelegenheit unsere Wasservorräte in einem kleinen Café zu füllen und etwas Abstand zur zweiten Fahrtengruppe aufzubauen. Gegen Nachmittag erreichten wir den “Dingle Way“, unseren Dauerfixpunkt für die nächsten Tage. Dieser führte an einer dauerhaft im Nebel verhangenen Bergkette entlang. Das Wetter hatte sich inzwischen von einem gewöhnlichen Nieselregen zu einem mit starken Gegenwind gepaarten Starkregen gewandelt. Der Weg war ein für Irland, oder auch Großbritannien typischer Pfad durch einen weitläufigen Schafgehege. Der Regen, der sich auf der Bergkette zu unserer Linken gesammelt hatte ging unaufhörlich auf uns nieder, begleitet von starken Westwind, der uns unerbitterlich von vorne unter die Kapuzen blies. Aus Mangel an geeigneten Zeltmöglichkeiten schlugen wir an einem Hang unterhalb des Weges schließlich unser Zelt auf, getragen von einem etwa 2,5 m langen, dünnen Kieferstamm, den wir unterwegs aus einem zugewuchterten Stück Nadelwald geschlagen, und nun seitdem mit uns getragen hatten. Nachdem wir eilig den Schafskot beiseite geschaufelt und unser Gepäck ins Innere geschafft hatten, bot unsere Zelt einen notdürftigen unter dem orkanartigen Böen beinahe zusammenbrechenden, aber doch halbwegs trockenen Schutz vor dem strömenden Regen. Von verwirrenden Albträumen sowie von sturmartigen Windstößen geplagt überlebten wir die stürmigste Nacht die ich in meinen Leben erleben durfte.
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Tag 3, “If we don´t break in, it´s just trespassing“
Am nächsten Morgen waren unsere Klamotten immer noch nass und sowohl der Regen als auch der Wind hatten nicht nachgelassen. Zusätzlich begann sich nun die Belastung durch unser 23-27 kg schweres Gepäck klar bemerkbar zu machen. Trotz der Hoffnung meiner Reisegefährten auf besseres Wetter beschlich mich der Gedanke, dass sich an der von uns begangenen nördlichen Seite der Bergkette eine Art eigener Wetterzyklus gebildet hatte. Meine Motivation bestand nun darin diese Bergkette hinter uns zu lassen.
Ein Ort namens “Camp“ war unser nächster Zwischenstopp. Camp lag an den Ausläufern der Bergkette. Wir erkannten schnell, dass der Begriff „Dorf“ in Irland anders definiert ist. Alle 50 – 100 m ein Haus entlang der Straße über 2 km. Der Regen begann langsam nachzulassen und wir beschlossen zum Trocknen Unterschlupf in einem der Straße anliegenden Pub zu suchen. Der „funny fellow“ hinter dem Tresen, genannt : „ Der Barmann“, gab uns nicht nur Hinweise zu unserem weiteren Weg, sondern auch einen detaillierten Wetterbericht mit guten Aussichten für Freitag und Samstag. Im Vorgarten eines frisch verkauften, jedoch noch leer stehenden Anwesens schlugen wir unser Nachtlager auf.
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Tag 4, “Gleichgesinnte“
Auch an diesem Morgen änderte sich das Wetter nicht. Das nächste Stück Wegs führte uns den Strand entlang, jedoch mussten wir schnell feststellen, dass die Kombination aus schwerem Gepäck und feuchtem Sand das Vorankommen um ein Vielfaches erschweren sollte. Aus dieser Notlage heraus beschlossen wir der Straße parallel des Dingle-Ways zu folgen. Inzwischen begann das Wetter seine ersten Opfer zu fordern: Der Impregnationsbelag von Tims Schuhen hatte inzwischen den Geist aufgegeben, so dass er mit nassen Socken laufen musste; und ich hatte es irgendwie geschafft mir trotz des miserablen Wetters einen handfesten Sonnenbrand zu zu ziehen. Gegen Mittag klarte der Himmel auf und wir hielten an um in den Dünen unsere nasses Equipment zu trocken. Mit steigendem Trocknungsgrad stieg auch unsere Moral, sodass wir bald singend und Gitarre spielend im Gras saßen und die Sonne priesen. Kurz darauf passierten wir nach einem kurzen Stopp, bei dem wir unsere Vorräte auffüllten das kleine Städchen Castlegregory. Wir folgten nun der Y-förmigen Halbinsel der Küste entlang nach Norden. Nach in paar Kilometern erblickten wir zwischen den Dünen die Spitze eines schwarzen Zeltes und beschlossen auf der Suche nach Gleichgesinnten kurz vorbei zu schauen.
Tatsächlich handelte es sich um eine Sippe von jungen Pfadfinderinnen eines PBN-Stammes aus Hamburg. Nach ein paar netten Worten zogen wir in nördlicher Richtung weiter. Aufgrund der strikten Kontrollen entlang der Halbinsel beschlossen wir die Nacht auf einem nahen Campingplatz zu verbringen. Zu unserer Freude ohne Regen.
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Tag 5, “Praise the Sun“
Nachdem wir uns am Morgen von dem alten Ehepaar, das den Campingplatz betrieb verabschiedet hatten, folgten wir der Straße nach Süden zurück nach Castlegregory und von dort, einer Beschreibung des Platzbesitzers folgend nach Westen weiter Richtung Stradbally.
Tims Füße hatten sich durch die feuchten Schuhe inzwischen zu Blasen aufgeworfen, wohingegen meine linke Gesichtshälfte begonnen hatte sich schlangenartig abzuschälen. Ein paar Kilometer hinter Stradbally nahmen Tims Schmerzen stark zu und auch ich verspürte einen unangenehmen Druck an der linken Achillessehne und begann diese nun regelmäßig zu entlasten, sodass wir beschlossen uns für heute einen Rastplatz zu suchen und von nun an ein wenig kürzer zu treten. Ein älterer Schafbauer erlaubte uns bei seinen Schafen auf der Wiese zu übernachten. Gegen Abend bot sich dort ein atemberaubender Anblick, bei dem die Sonne “like a magnificent father“ durch die Wolken brach und Lichtstrahlen auf die grünen Berge im Westen warf. Und so begann ich die Sonne zu preisen.
“If only I could be so grossly incandescant…“
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Tag 6, “Irish hospitality“
Wir brachen gegen 9 auf. Meine Moral war von dem Naturspektakel am Vorabend erhöht, dennoch spürte ich wie die Schmerzen an meiner Ferse stärker wurden. In Faha Cloghane, welches wir nach einigen Kilometern erreichten füllten wir unsere Vorräte auf und trafen auf eine Gruppe deutscher Wanderer, die uns auf ein Hostel in der Nähe aufmerksam machten, welches einen „Baggage-Transport über die Berge organisieren könnte.
Bei dem Hostel handelte es sich um das in Richtung Brandon liegende “Brandon-Hostel“. Die Gastwirtin Mary war sehr freundlich und bot uns an für je 10€ hinter dem Haus zelten zu dürfen, Dusche und Frühstück inklusive, da ein Gespäcktransport erst nach dem Wochenende möglich sei.
Wir hatten bereits aus mehreren Quellen erfahren, dass der Pass über die Berge das steilste und unbegehbarste sei, was jemals den Namen „Wanderweg“ verdient hätte und so beschlossen wir – auch in Hinblick auf unsere Blessuren – Marys Angebot anzunehmen. Nachdem wir unsere Kohte aufgebaut hatten, besetzten wir einen seperierbaren Erker im Dining-Room des Hostels und vertrieben uns den Abend mit Singen, Gitarre spielen und literweise zur Verfügung geselltem “Golden Assam“.
Die Atmosphäre im Hostel war beinahe familiär und gefüllt von kurzen Gesprächen mit den anderen Gästen.
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Tag 7, “Point Break“
Nach einem ausgiebigen Frühstück und einem Gespräch mit einem etwa 40-jährigen Mann aus Deutschland, der mich an die ältere Version eines Studienfreundes und Simon an einen ehemaligen Englischlehrer erinnerte, beschlossen wir unser Gepäck im Hostel zu lassen und nach “Brandon Point“ aufzubrechen. Einer am nördlichsten Punkt des Gebirges liegenden 300m tiefen Steilküste. Bei unserer Ankunft bot sich uns ein atemberaubender Anblick: Die Klippe war von kleinen Grasstücken und Blumen durchzogen und fiel nahezu senkrecht ab in die von ein paar Möwen durchflogene, schäumende Brandung aus von Norden kommenden, aufprallenden Wellen. Auf dem Heimweg spürte ich, dass sich die Schmerzen aufgrund der von mir angenommenen Schonhaltung von meiner Ferse in mein Kniegelenk verschoben hatten. Als wir im Hostel angekommen und zu kochen begonnen hatten versorgte uns Mary mit allen möglichen Zutaten ohne das wir sie darum gebeten hatten. Und so war es uns möglich mit ihren und unseren eine gourmetgleiche Nudel-Gemüsepfanne zu kochen. Danach brachte uns der nette Mann aus Deutschland eine Flasche Bier aus Belfast, welche wir dankend annahmen. Leider versäumten wir es ihn nach seinem Namen oder Heimatort zu fragen. Mit Hinblick auf die morgen bevorstehende Passüberquerung gingen wir etwas früher zu Bett.
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Tag 8, “Caradhras“
Tag der Überschreitung. Wir brachen früh am Morgen auf, verabschiedeten uns von Mary und gaben ihr ein Christophorusabzeichen als Dank für ihre Gastfreundschaft. Sie gab uns eine selbstgezeichnete Karte, damit wir unseren Abzweig nicht verpassen und bat uns vielmals aufzupassen, dass wir uns nicht das Genick brächen.
Nachdem wir von der Straße nach Brandon Point abgebogen waren, begann der Weg stark anzusteigen. Begleitet von grasenden Schafen, folgten wir dem vom anhaltenden Nieselregen aufgeweichten Pfad, bis dieser abrupt aufhörte. Ab hier waren die einzigen Wegmarken in den Torf gerammte Holzpfäle mit einem Abstand von ca. 50-100m. Ein Weg war fast nicht mehr zu erkennen, nur etwas ausgetretenes Sumpfschilf bat eine grobe Ahnung von dem was auf der Karte als Wanderweg ausgewiesen war. Mein linkes Bein war inzwischen kaum noch zu gebrauchen, was unser Vorkommen hemmte und unsere Gruppe in die Länge Zog. Mittlerweile hatten wir die Sonnengrenze hinter uns gelassen und die tiefhängende Wolkendecke durchbrochen. Inzwischen hatte der “Weg“ eine Steigung von ca. 50° angenommen, sodass wir beinahe gezwungen waren die matschigen Torfklumpen und heraus stehnden Steine empor zu klettern. Schließlich erreichten wir den auf etwa 750m liegenden Kamm. Ein guter Moment um die Sonne zu preisen und den Ausblick auf die Wiesen und Steilküsten West-Kerrys zu genießen. Dann begannen wir den Abstieg. Bei Sonne und von zwischenzeitlichen Schmerzensschreinen von meiner oder Simons Seite, dessen linkes Hüftgelenk erste Verschleißerscheinungen aufwies durchbrochen, erreichten wir schließlich einen Pub am Fuß des Gebirges, bei dem wir unser Gepäck abholten. Leicht lädiert von der Überschreitung trafen wir einen alten, hobbitartigen Iren mit unglaublich guter Laune und kaum zu verkennender Ähnlichkeit mit Bilbo Beutlin, der uns erlaubt in seinem Vorgarten zu übernachten.
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Tag 9, “Beer and friends“
Nach dem Abschied von Bilbo näherten wir uns langsam aber sicher unserem Ziel, welches auf den Straßenschildern bereits als “Daingean Uí Chúis“ ausgeschrieben, uns jedoch wie allen Touristen als Dingle bekannt war.
Gegen Nachmittag fanden wir uns am Dingle Harbour wieder. Dort trafen wir eine Gruppe Pfadfinder des Stammes “Adler“ aus Baden-Württemberg die uns von einem möglichen Schlafplatz, sowie von einem Pup unter Leitung eines irischen Pfadfinders erzählten. Nach einem ausgiebigen Einkauf beschlossen wir uns in “Faharty`s Pub“ den anderen Pfadfindern anzuschließen. Diese verabschiedeten sich jedoch bald um sich nach einem geeigneteren Schlafplatz umzusehen. Und so verbrachten wir die weiteren Stunden zu viert in netter Atmosphäre. Nach einiger Zeit begann in einer Art Schuppen hinter dem Pup ein „open-stage Abend“ mit einer Menge talentierter junger Musiker. Wir lernten viele nette Leute kennen, darunter einen jungen Sologitarristen der einige Jahre in Deutschland gelebt hatte und ein so sauberes Deutsch besaß, dass es kaum von unserem zu unterscheiden war, sowie eine Gruppe junger bayrischer Musiker, die uns eines ihrer Lieder widmeten. Leicht angetrunken fanden wir gegen Mitternacht eine Art Bauruine von der uns die Baden-Württemberger erzählt hatten. Auf dem dreckigen Betonboden bei starkem, durch die Westfenster ziehendem Wind schliefen wir schließlich ein.
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Tag 10, “Mogadishu Mutiny“
Zwei Schweizer die wir in der Nähe von „Camp“ getroffen hatten, hatten uns vom schönen Ort Dunquin weit im Westen erzählt. Nun trennten uns etwa 20km und ca. 200 Höhenmeter, eine Entfernung, die nur unter normalen Umständen innerhalb der uns verbleibenden anderthalb Tage durchaus möglich wäre. Wir verließen also unsere Ruine, welche sich bei Tageslicht als, von einer großen Menge dschungelartigem, jedoch auch sehr gartenähnlichem, wucherndem Gebüsch umgeben zu erkennen gab, in Richtung Westen. Nach einiger Zeit erreichten wir das kleine, am Strand gelegene Städtchen Ventry, wo wir beschlossen Rast zu machen. Auf großen Steinen im Sand sitzend, kamen drei von uns, gleich Ausgestoßenen auf den Pitcairn-Insel, Zweifel an der Sinnhaftigkeit, sowie der Durchführbarkeit unserer Unternehmung. Ich wusste, dass es für mich aufgrund meines Invalidenstatusses unmöglich wäre die verbleibende Strecke hinter mich zu bringen und auch Simon und Tim wurde klar, dass selbst wenn ich in Ventry zurückbleiben würde, zeitlich nur ein kurzer Blick auf Dunquin möglich wäre. Dem “Black-Hawk-Down-Grundsatz“: “Leave no man behind“, folgend, gelang es uns zu dritt Daniel, der sich sehr gefreut hatte Dunquin sehen zu können umzustimmen und stattdessen den südlichen von Dingle liegenden „Eask Tower“ anzusteuern. Auf dem Weg dorthin schlugen wir auf einer von kniehohen Gras bedeckten Wiese, entlang einer Steilküste unser Lager auf. Abends bildete die untergehende Sonne mit dem Relief der Steilküste und der Spiegelung des glitzernden Meeres ein Panorama das sich noch lange in meine Netzhaut eingebrannt haben sollte.
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Tag 11, “Dinky-Di“
Nach unseren Aufbruch am Morgen folgten wir der Straße nach Norden und nahmen den ersten Abzweig in östliche Richtung. Nach einiger Zeit schloss sich uns ein offenbar wilder, aber sehr menschenfreundlicher Border-Collie-Mischling an. Zuerst dachten wir, er gehöre zu einem der anliegenden Häuser, er schien jedoch nicht den Eindruck zu machen mit den ansässigen Hunden vertraut zu sein. Und so begannen wir den Aufstieg zu dem auf einer Höhe von 150m liegende „Eask Tower“. Der Hund den wir aufgrund seiner körperlichen und verhaltensspezifischen Ähnlichkeit zu dem Hund aus Mad Max 2 “Dinky-Di“ nannten, lief uns zumeist etwa 50m vorraus, kam jedoch häufig zurück um sich von uns streicheln zulassen oder einen Stein auszubuddeln und uns dazu zu animieren ihm diesen zu werfen. Nachdem wir einem Bauern den Wegzoll von je 2€ für das Passieren der Schafweide gezahlt hatten, begann der letzte und steilste Teil des Aufstiegs. In Serpentinen aufsteigend durchbrachen wir bald die tiefliegende Wettergrenze und das Wetter wandelte sich von Sonne zu leichtem Nieselregen. Oben angekommen stellten wir fest, dass der „Eask-Tower“ keineswegs ein Turm, sondern vielmehr ein riesiges ofenförmiges Leuchtfeuer war.Wir genossen ein wenig den Blick auf den Atlantik, aßen etwas und gaben Dinki-Di, der uns inzwischen wohl als temporäre Reisegruppe akzeptiert hatte, ab und zu ein paar Stöcke oder Steine zum Hüten. Dann begannen wir den Abstieg. Als wir an der Hauptstraße zwischen Ventry und Dingle ankamen und Dinky-Di immernoch keine Anstalten machte uns verlassen zu wollen, beschlich mich langsam das Gefühlt, dass wir nicht einfach in den nächsten Bus nach Tràlee steigen könnten ohne uns nicht zumindest ein Bisschen um seinen Verbleib gekümmert zu haben. Nachdem wir unsere von Gestrüpp überwucherte Ruine erreicht hatten begannen wir abwechselnd Erledigungen in Dingle durchzuführen, währen einer von uns Dinky-Di beschäftigte, sodass dieser den anderen nicht in die Stadt folgte. Gegen Abend beschloss er sich zu meiner Beruhigung einer Gruppe vorbeiziehender Wanderinnen an zu hängen und ihnen zu folgen. Seitdem haben wir ihn nicht mehr gesehen.
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Tag 12, “Reminiscence“
Wir erwachten früh packten unsere Sachen zusamen und begaben uns ins Zentrum von Dingle, wo wir den ersten Bus nach Tràlee nahmen. Der Bus folgte einer hochgelegenen Straße durch die für Kerry charakteristischen Berge, sodass es uns möglich war viele Punkte unserer Reise zu sehen und die damit verbundenen Erinnerungen Revue passieren zu lassen: Wir sahen die dünenbedeckte Halbinsel nördlich von Castlegregory, Faha Clogane, die sich in der Ferne abhebende Kulisse von Brandon Point, Camp und schließlich die wetterverhangenen, meine Theorie zum seperierten Wetterzyklus stützenden Gipfel der Berge südlich von Trálee. Unser Ziel erreicht vertrieben wir uns nach Absprache mit den Anderen, welche wir in Tralee wiedergetroffen hatten den Nachmittag in einem örtlichen Schwimmbad. Beim Verlassen stellten wir fest, dass sich das Wetter wieder zu Regen gewandelt hatte. So beschlossen wir den Bus nach Limerick doch schon heute zu nehmen um dem Wetter aus dem Weg zu gehen und gegebenenfalls von dort nach Dublin weiter zu fahren. Nach minimalem Orientierungsverlust und der für die Fahrt letzten Nachschubaufnahme, bestiegen wir um ca. 6 pm den Bus Richtung Osten. In Limerick regnete es ebenfalls und so beschlossen wir mit Hoffnung auf einen besseren Schlafplatz unsere Fahrt nach Dublin fortzusetzen. Zwei oder drei von uns waren schon einmal dort gewesen und schlugen den Phoenix Park als möglichen Schlafplatz vor. Nach einer halbstündigen, mitternächtlichen Wanderung erreichten wir den Stadtpark, wo wir, um möglichst unauffällig zu bleiben darauf verzichteten eine Kohte aufzubauen und stattdessen zu ponchen.

Tag 13, “Rise and shine“
Das erste Geräusch dass wir am Morgen hörten war das Knacken und Pfeifen einer Rückkopplung und die darauf folgende Megafon-Durchsage “Rise and shine folks, you got ten minutes“. Ein Paar Park-Ranger hatten uns schließlich gefunden und beschlossen sich mit ihrem Jeep an uns heran zu schleichen.
Ich hatte diese Nacht kaum geschlafen und war dementsprechend gerädert. Den anderen schien es besser zu gehen. Nachdem wir unsere nassen Schlafsäcke und Ponchos eingepackt hatten begaben wir uns auf einen einstündigen, von einem kurzen Frühstück unterbrochenen Marsch in die Innenstadt Dublins. Im Park des ehemaligen St. Stevens Hospital luden wir unser Gepäck ab und währen Simon, Tim, Marius und ich erst mal bei den Rucksäcken blieben, ging der Rest in kleinen Gruppen die Fußgängerzone unsicher machen. Nach einiger Zeit sammelte sich neben unserer Bank eine Gruppe Betrunkener zwischen 25 und 60 Jahren. Ein älterer von ihnen übergab sich in regelmäßigen Abständen, wohingegen der jüngere nach einiger Zeit begann sich mit uns zu unterhalten. Ich komme nicht umhin zu erwähnen, dass egal wie unangenehm uns die Gesellschaft zuerst war, die Themen mit der Zeit lockerer wurden und eine spürbare Toleranz zueinander Einzug hielt. Der junge Kerl, wohl ein Kleinkrimineller romanischer Herkunft, war bei Weitem nicht der Hellste und lebte wohl auch nicht unter den angenehmsten Verhältnissen, trotzdem strahlte er eine Offenheit aus die mich in diesem Moment sehr überraschte. Solange wir die vier nicht abfällig behandelten würden wir wohl keine Probleme mit ihnen bekommen. Nach einiger Zeit kamen die anderen wieder und wir betraten die laute, von Menschenströmen gefüllte Fußgängerzone. An jeder Ecke waren talentierte Schausteller oder Musiker, wir trafen schottische Pfadfinder und Aktivisten die Unterschriften gegen erzwungene Organentnahmen in China sammelten. Gegen Abend wurden wir freundlich aber bestimmt gebeten den Park zu verlassen, damit dieser geschlossen werden könne. Nach einiger Diskussion mit den anderen beschlossen wir uns noch heute Abend zum Flughafen zu begeben und die Nacht dort zu verbringen. Nach ein paar Missverständnissen gelang es uns einen Bus zum Airport zu finden wo wir im Terminalbereich einen etwas abgelegenen Platz vor den Fluggesellschaftsbüros, die um diese Uhrzeit geschlossen waren fanden und unter den Neonstrahlern mit Beschallung einer sich alle paar Sekunden wiederholenden Lautsprecherdurchsage ein provisorisches Nachtlager aufschlugen.

Tag 14, “Going home“
Heute morgen wurden wir aus einem beinahe nicht vorhandenen Schlaf geweckt. Die Ursache war ein anzugtragender Flughafenmitarbeiter, der uns recht ungehalten bat unser Zeug zu packen und in den normalen Terminalbereich zurück zu kehren. Noch erschöpfter als gestern vertrieben wir uns die nächsten 4 Stunden bis unser Flug auf den großen Listenbildschirmen auftauchte damit, Zeug hin und her zu packen um unser Maximalgewicht nicht zu überschreiten.
Ich sitze nun mit übermäßigen Schlafentzug in unserer Boeing 737 auf dem Weg nach Köln, wo wir mit etwas Verspätung hoffentlich bald ankommen werden. Für die meisten werden die Strapazen in ca. 3-4 Stunden vorbei sein, wohingegen mir morgen früh noch die Rückfahrt nach München bevorsteht, doch das ist eine andere Geschichte.
Egal wie turbulent die letzten Tage waren, so erinnere ich mich doch daran die Zeit in Irland genossen zu haben. Es war eine Fahrt, die gesät war von Wind, Regen, Körperlichen Entbehrungen, einer Menge leichter eher aber zähen Lädierungen und viel Spontanität aber dennoch hat sie mir das Gefühl gegeben immer noch zu Anstrengungen fähig zu sein, die vielleicht nicht jeder auf sich nehmen würde. Außerdem hat sie mich aus meinem in letzter Zeit etwas festgefahrenen Tagesablauf heraus gerissen, mir die Möglichkeit gegeben ein weiteres Land mit unglaublich netten Menschen und einer wunderschönen Landschaft auf dem Globus abzuhaken und mich endlich wieder der Natur näher gebracht, ein Gefühl, dass ich während meiner Zeit in München stark vermisst habe. In diesem Moment habe ich Mark Knopfler’s “Local Hero“ Soundtrack im Kopf, mit dem Gefühl besser als vorher nach Hause zu kommen

Sláinte!
Jack

„Aschen One, hearest thou my voice still?“